Parteien besorgt um Demokratie nach Angriff auf SPD-Politiker

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- von Markus Wacket und Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Nach der Prügel-Attacke auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke haben Parteien und Verbände vor einem Angriff auf die Demokratie gewarnt.

In mehreren Städten wie Berlin, Potsdam oder dem Tatort Dresden versammelten sich am Sonntagabend Tausende kurzfristig zu Kundgebungen. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) erinnerte in Dresden bei der Demonstration "Aufstehen & Demokratie verteidigen" an die friedliche Revolution in der DDR 1989: "Wir sind für die Freiheit auf die Straße gegangen. Wir werden heute nicht weichen vor Demokratieverächtern." CDU-Parteichef Friedrich Merz sagte vor dem Bundesparteitag in Berlin: "Ich hoffe, dass wir eine streitbare Demokratie sind und bleiben. Aber dass dieser Streit mit Worten ausgetragen wird und nicht mit Fäusten." In Berlin sprach am Brandenburger Tor unter anderem SPD-Chef Lars Klingbeil.

Unterdessen hat sich ein 17-Jähriger nach dem Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europa-Wahl gestellt. Der deutsche Jugendliche habe sich in der Nacht zum Sonntag auf einem Polizeirevier gemeldet und erklärt, dass er der Täter sei, teilte die sächsische Staatskanzlei mit. Er sei bisher nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes habe die Ermittlungen übernommen. Ecke war beim Plakatieren in Dresden von mehreren Menschen angegriffen und schwer verletzt worden und musste im Krankenhaus operiert werden. Die Polizei fahndet nach den weiteren Tätern. Übergriffe auf Wahlkampfstände verschiedener Parteien wurden auch aus weiteren Städten gemeldet.

Bereits Samstag hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Wort gemeldet: "Die Demokratie wird von so etwas bedroht", sagte er. "Dass so etwas geschieht, hat auch etwas zu tun mit Reden, die gehalten werden, mit Stimmungen, die erzeugt werden." Innenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte umfassende Aufklärung: "Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt."

Nach Angaben der SPD Sachsen gab es auch bei anderen Plakatier-Teams Einschüchterungsversuche, Plakatzerstörungen und Beleidigungen. Die Polizei in Sachsen meldete einen Angriff auf einen AfD-Infostand in Dresden. Aufsteller, Plakate und Tisch seien beschädigt worden, der Betreiber des Standes sei nicht verletzt worden. Zudem habe es wahllose Zerstörungen von Plakaten der AfD, FDP, CDU und Linken in Dresden gegeben. Angriffe auf Politiker wurden auch aus NRW gemeldet.

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel erklärte, Gewalt dürfe kein Teil der politischen Auseinandersetzung sein. "Solche Taten müssen rigoros verfolgt werden." Besonders häufig aber seien Politiker und Mitglieder der AfD Ziel gewalttätiger Angriffen.

Mehr als Hundert Politiker verschiedener Parteien unterzeichneten einem "Spiegel"-Bericht zufolge eine Erklärung, in der sie sich zum respektvollen Umgang unter Demokraten verpflichteten.

Neben der Europawahl finden in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg in diesem Jahr auch Kommunal- und Landtagswahlen statt. Die AfD führt in allen drei ostdeutschen Ländern in Umfragen. Parteien und Sicherheitsbehörden haben angesichts der aufgeheizten Auseinandersetzung vor allem mit Rechts-, aber auch Linksextremen vor einer Zunahme der Gewalt gewarnt.

Die Zahl der Übergriffe gerade auch auf Kommunalpolitiker nimmt aber auch in ganz Deutschland seit Jahren zu. Laut Bundesregierung waren 2023 von Angriffen vor allem Politiker der Grünen betroffen, danach folgen die AfD und die SPD. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Wagen von Bundestags-Vizepräsidentin Göring-Eckardt (Grüne) in Brandenburg mehr als eine halbe Stunde von aggressiven Demonstranten blockiert wurde.

SONDERSITZUNG VON INNENMINISTERN VORGESCHLAGEN

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), forderte Konsequenzen: "Dazu gehört auch, dass die Innenminister von Bund und Ländern zügig beraten, wie sie auf diese wachsende Bedrohung mit Augenmaß reagieren und ob ihre Sicherheitskonzepte für Wahlkampfzeiten verstärkt werden müssen", sagte er dem "Handelsblatt".

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Michael Stübgen (CDU), schlug in der "Rheinischen Post" eine Sonderkonferenz mit den Landesinnenministern am Dienstag vor.

(Mit Reuters TV, Sarah Marsh, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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