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dpa-AFX · Uhr
    Systemrelevant, Kommentar zu Siemens Energy von Michael Flämig
München (ots) - Russland hat die Ukraine in dieser Woche wieder einmal mit einem
barbarischen Bombardement überzogen. Der massivste Raketenangriff seit
Kriegsbeginn zeigt vor allem, wie hemmungslos Wladimir Putin und Konsorten die
ukrainische Zivilbevölkerung terrorisieren. Es lässt sich aber auch - an
untergeordneter Stelle - eine weitere Lehre daraus ziehen: Das Rückgrat der
Zivilgesellschaft und der Wirtschaft eines Landes ist die Energieversorgung.
Ohne Strom lässt sich die Moderne langfristig kaum aufrechterhalten, das nutzt
Putin eiskalt aus. Energie ist systemrelevant.

Westliche Industrienationen müssen aktuell nicht fürchten, ihre Kraftwerke und
Stromnetze im Raketenhagel untergehen zu sehen. Die russische Strategie führt
aber vor Augen, dass Schutz dieser kritischen Infrastruktur wichtig ist. Derlei
Bestrebungen sind auch in Friedenszeiten gefragt, und diese beginnen bereits bei
einer maßvollen Unterstützung jener Industrie, die die Infrastruktur erfindet
und bereitstellt.

Der Vorstandsvorsitzende von Siemens Energy, Christian Bruch, spricht natürlich
pro domo, wenn er mehr politischen Rückenwind für seine Branche fordert. Aber
sein Ansinnen ist auch volkswirtschaftlich begründbar. Denn Europa leidet
langfristig Schaden, wenn die Hersteller von Windkraftanlagen ihren Kampf gegen
andauernde Verluste aufgeben und damit chinesischen Anbietern das Feld
überlassen - im Maschinenbau ist dies für die Firmen aus Fernost kein
Selbstläufer, aber nicht unmöglich. Auch das neue US-Förderprogramm, das unter
der Marke der Inflationsbekämpfung läuft, kann Investitionen und Kompetenz aus
Europa abziehen. Brüssel sollte schnell ein Gegengift gegen Lockrufe von
jenseits des Atlantiks finden. Dies ist über die Energieinfrastruktur hinaus
erforderlich.

Es gilt zugleich: Politische Konjunkturen sind kurzlebig und wechselhaft.
Siemens Energy muss sich auch am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Die
Restrukturierungserfolge im Geschäft mit konventionellen Energiequellen zeigen,
dass dies möglich ist. Der konzernweite Auftragsbestand von 100 Mrd. Euro ist
gigantisch, er sichert rechnerisch den Umsatz von drei Jahren. Der Aktienkurs
spiegelt dies trotz des jüngsten Rally nicht wider. Rechnet man die Anteile an
Siemens Gamesa und Siemens Ltd. in Indien heraus, ist Siemens Energy umsonst zu
kaufen. Es wird nicht ausreichen, das Geschäft den Großinvestoren besser zu
erklären. Die Anleger wollen Gewinn, Dividende und einen Geschäftsverlauf ohne
negative Überraschungen. Den Startschuss für eine Neubewertung könnte ein
Abschied des Minderheitsaktionärs Siemens AG und ein neuer Ankeraktionär geben.

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